1987 Neu-Paunsdorf
zwischen rohen Betonbaukästen
liegt wartend im lichten Ocker
eine Bretterschlange
aus unzähligen Elementen
lose zusammengesetzt
im Schlammfeld
lachende Kinder
in strahlend weißen
und himmelblauen Polyester Hemden
laufen von Floß zu Floß
führen mit klebrigen Händen
Buckelhexen und einbeinige Dombraspieler
aus dunklen russischen Märchen hinaus
in die wacklige
fernbeheizte Zukunft
und ab und an
meist in den sternentrunkenen Nächten der Sommermonate
wo alle Blicke sich nach oben richten
und man taub geschlagen ist
in Anerbietung und Ehrfurcht
zerteilt sich
leise klappernd
das riesige Reptil
in eine Schar von
ausgehungerten Futterneidern
die scharfgewetzte Giftpfeile
und gelbe Glasperlen
in trüben Wasserlachen verstecken
bis sie endlich
ganz mucksmäuschenstill
in Erwartung verharren
und wenn am nächsten
wolkenlosen Morgen
lederbraune Ranzen
fröhlich über den bunten Flickenteppich
von Planke zu Planke tanzen
zu weiten Sprüngen ansetzen
um sich die Pfützen aufzusparen
für die Zeit nach der Schule
dann drehen sich auch unzählige
züngelnde Fähnchen
lustig im Wind
und das eine oder andere
gar so neugierige Mädchen
oder der verträumte
etwas zu klein geratene
braunäugige Junge
von nebenan
können nicht umhin
den sicheren Pfad zu verlassen
und stampfen immer tiefer
mit roten Gummistiefeln in die Lache
strecken freudig ihre kleinen Hände
den wundersamen Windspielen entgegen
und als ihre Finger
sie berühren
schnellt die glitzernde Haut
blitzartig zurück
öffnet sich das Wasser
und mit einem Schlag
fast ohne einen einzigen Laut
versinken sie
in einem bodenlosen See
der sich sogleich wieder über ihnen schließt
und keiner hat sie seither
jemals wiedergesehen
oder ihr Fehlen
überhaupt bemerkt
Torsten Pfeffer
11. Jan. 2022