Abgrund
Als das Sofa sich teilte und mich verschlang
sagte niemand ein Wort
manche hielten kurz inne
mit verrutschten Blicken
leerten ihr Glas
nicht eilig
nicht andächtig
unbekümmert vielleicht
und legten es zu den anderen
ins randvolle Becken
Menschen verschwinden
von einem Moment auf den nächsten
spurlos
nur vereinzelte
in Scham gekrümmte Haare
bleiben auf schmutzigen Fließen zurück
und keiner weiß
von dem Fest danach
werden wir in Stroboskoplicht
und unablässiger Basspenetration
unsere nackten Leiber
aufeinander schlagen lassen
wie abgehangene Rinderhälften
in Schwerelosigkeit baumeln
einander fremd zunicken
und in La-Ola-Wellen
dem Erlöser beifallen?
wenn die Apolyse fortschreitet
und grundlos Tiefen in den Asphalt gezwungen werden
greift eine wohlmeinende Erneuerungswut
mit riesigen sehnigen Fingern
die Nägel bis aufs Fleisch gekürzt
schwarz lackiert
die neue Farbigkeit
nach menschlichem Abrieb
reißt ihn an sich
und zermahlt die letzten Erinnerungen
zu feinstem Zimtstaub
der sich unbekümmert
geradezu zärtlich
absetzt
und die frisch aufgeschäumte
duftende Hafermilch
mit floralen Mustern
verziert
wer findet dann noch Zeit
zu der allmählich verblassenden Fassadenmalerei aufzusehen
derer sich das Haus entledigt
wie einer ausgedienten
spröde gewordenen Haut?
wer lässt dann das heiße Wasser ein
bis zum Anschlag
nimmt den Abwasch in Angriff
eigenhändig
breitet das weiße Laken aus
streicht es glatt
und deckt den Tisch
für das nächste
große Fressen
im Himmel
auf Erden?
Torsten Pfeffer
7. Jan. 2022