Allgemein
Die Komposition STOCHA für 1-2 Querflöten und einen Schauspieler entstand im Jahr 2008 und markiert den ersten entscheidenden Vorstoß im konzeptionellen Arbeiten. Erstmals wird hier ein außermusikalischer Gedanke nicht nur zum formalen Leitgedanken, sondern auch zum Träger des musikalischen Materials. Darüber hinaus veranschaulicht das Stück die enge Verbindung der beiden Disziplinen Bildende Kunst und Musik, die in meiner Arbeit eine solch starke Korrelation aufweisen, und betont die Vorstellung einer musikalischen Aufführung als ein Gesamtwerk visueller und auditiver Prägung.
Räumliche Spannungsverhältnisse sollten in musikalische Klangräume übertragen werden. Es galten folgende Prämissen:
Reduzierung auf grundlegende musikalische Räume = Intervalle
Klangverschiebungen bzw. Veränderung des Raumklanges für den Hörer, ohne aktive Einflußnahme seitens des Hörers
idiomatische Behandlung des Hauptinstrumentes Querflöte und Forcierung dieser Eigenheiten
aleatorische Elemente (Geräusche, Spiel...)
visuelle Irritation und Raumverschiebung
Notation
Die Flötenstimmen sind in ausklappbaren Einzelstimmen notiert. Bei der Aufführung werden diese über mehrere Notenständer ausgebreitet (ca. 4m Breite). Die Spieler wandern langsam daran entlang.
Flöte I wird in drei Systemen notiert:
1 = Flötenaktionen
2 = Stimmaktionen
3 = Fußaktionen
Flöte II in zwei Systemen:
1 = Flötenaktionen
2 = Stimmaktionen
Die sich hier abzeichnende unterschiedliche Behandlung der Flötenstimmen findet sich auch im verwendeten Tonmaterial und den Dynamikbereichen wieder.
Während die erste Stimme vorrangig die zweite und dritte Oktave bedient, agiert die zweite Stimme fast ausschließlich im Ambitus der ersten Oktave und bleibt immer im p-Bereich (ppp -> mf). Flöte II übernimmt demnach die Rolle einer eher hintergründigen Unter- bzw. Begleitstimme, die die Grundlage (Cantus Firmus) für die Klangräume bildet, die die Flöte I in quasi kontrapunktischer, solistischer Weise nach oben hin öffnet.
In der gesamten Partitur wird anstelle der klassischen Notation die Space-Notation und eine rein grafische Notation (siehe: Flöte I, Fußaktionen) verwendet. D.h. die Dauer der Töne ist relativ und einer gewissen Freizügigkeit unterworfen. Die gemessene Rhythmik tritt dadurch deutlich in den Hintergrund, während sich ein Metrum in Form der maximalen Ausatmungsdauer etablieren kann.
Klangbildcharakteristik
Drei Elemente prägen die Klangcharakteristik des Stückes.
Das wesentlichste spieltechnische Element des Stückes ist die Permanentatmung. Sie wird gleichermaßen von beiden Flöten-Stimmen verwendet und ermöglicht die primäre Klangcharakteristik der lang anhaltenden Töne. Die mit dieser Spielweise einhergehende Intonationsirritation führt zu einem zuweilen flirrenden Oberton-Effekt, der die scheinbare Statik der langen Tondauern aufbricht.
Das quasi Anti-Tempo der langen Tondauern als ein Zu-Sich-Kommen des Tones, ermöglicht eine Darstellung von Intervallen und Klangräumen, die einer neuen Bewußtmachung gleichkommt, die durch die zur Verfügung gestellte Zeit möglich gemacht wird. Man verweilt nun ähnlich lange bei einem Klang, wie man es vergleichsweise beim Betrachten von Bildelementen eines Gemäldes tut.
Die Stimmaktionen, bei beiden Flöten-Stimmen wesentlich, stellen eine Timbre-Erweiterung bzw. Klangfarbenbereicherung dar und dienen der Verstärkung der artikulatorischen und dramaturgischen Abläufe. Es werden Aktionen zwischen Geräusch und Ton ausgeführt, meist sukzessive im Übergang von oder zur Flötenspielweise, oder aber simultan in Gerader-, Seiten- und Gegen-Bewegung. (siehe: Fl.II, 4‘-5‘). Der Vokalvorrat umfasst U und O. Die Stimme stellt das Bindeglied zwischen Ton und Geräuschflächen dar, da ihr beide Eigenschaften zu eigen sind.
Die Geräuschaktionen werden von der Ersten Flöte (Fußaktionen; imitieren den Konsonanten F aus UFO) und dem Schauspieler ausgeführt und füllen akustisch den sich öffnenden Tonraum. Die Behandlung ist jedoch unterschiedlich. Während die Flöte I einer grafischen Vorgabe folgt und somit nur bedingt aleatorisch agiert, ist die Aktion des Schauspielers nur durch zwei Anforderungen bestimmt:
Er hat im Verlauf des Stückes alle markierten Formen am Boden (generiert aus den Raummaßen der Galerie-Räume) mit Material zu füllen, ähnlich einem Bauarbeiter, und muss auf die ihn umgebenden Klangzustände reagieren, indem er während seiner Arbeit den akustischen Qualitäten seines Materials nachspürt.
Neben diesen drei Hauptelementen wird die Farbigkeit und Ausdrucksmöglichkeit durch erweiterte Spieltechniken wie lange Glissandi, Vibratos unterschiedlicher Art (Zwerchfell, Zunge und Lippen), Flatterzunge, Lippen- und Zungenpizzicato, Klappengeräusche, Trompetenansatz und vieles mehr bereichert.
Aufführungsvarianten
Es gibt zwei Aufführungsvarianten:
Variante I (Trio = zwei Flöten, ein Schauspieler)
Variante II (Duo = eine Flöte, ein Schauspieler, Video- + Audioinstallation)
Beide Varianten unterscheiden sich in der Wirkung maßgeblich voneinander.
Die Variante II stellt die Grundform dar und ist vom Ablauf her festgelegt. Es gibt hier keine weitgreifende Interaktion zwischen Flöte und Schauspieler im Sinne einer mehr als nur gefühlsmaßigen Reaktion. Der Schauspieler bleibt Statist.
In der Variante I kann der Schauspieler, ganz im Sinne eines Spieles!, die Aktionen der Flöten bestimmen. Ein Signal von ihm zwingt die Flöten, im Notentext zu springen. Sie haben aber - wenn auch begrenzte - Möglichkeit, sich reaktiv oder reaktant zu verhalten, wodurch eine enorme dramaturgische Spannung erzeugt wird, die der eher ruhigen Wirkung des Notenmaterials entgegensteht.
Das wichtigste Element der Aufführung ist die langsame aber kontinuierliche Bewegung der Flöten entlang der Partitur, räumlich versetzt und in entgegengesetzter Richtung. Zwischen ihnen arbeitet der Schauspieler und füllt für alle sichtbar seine grafischen Formen und die entstehenden Klangräume. D.h. die Bühne ist nicht statisch, sondern scheint sich zu bewegen. Der raumakustische Eindruck verändert sich für den Hörer.
STOCHA
Performatives Werk für 1-2 Querflöten & Schauspieler
- raumgreifende Spielpartitur in Space Notation
- aleatorische Aktionsmomente durch Schauspieler Impulse
- Dauer 25-30'
- Begleitheft & Stimmauszüge (Flöte 1, 2)
- PDF Querformat, je 19 Seiten in Reihe, SW
Begleitheft Hochformat, 14 Seiten SW